Ob digitale Messeauftritte, virtuelle Weltpremieren oder kontaktlose Fahrzeugübergaben — das „Corona-Jahr“ 2020 hat die Digitalisierung nochmals beschleunigt. Als Automobilhersteller investieren wir seit Jahren in diesen Wandel. Nicht nur Autos sollen schließlich wie Smartphones auf Rädern funktionieren, die gesamte Wertschöpfungskette wird in Echtzeit vernetzt.
Industrie 4.0 und Mensch-Maschine-Kooperationen sind aus den Werken nicht mehr wegzudenken. Seit einigen Jahren unterstützen sie uns dabei, Abläufe in den Fabriken zu optimieren und Fahrzeuge mit unterschiedlicher Ausstattung und Motorisierung auf einer Linie zu fertigen. Unsere im September 2020 eröffnete Factory 56 macht vor, wie voll vernetzter Automobilbau geht: Eine Infrastruktur mit leistungsfähigem WLAN- und 5G-Mobilfunknetz erleichtert nicht nur das Tracking und Tracing, sondern spart auch eine Menge Papier: Digitale Ortungs- und Anzeigesysteme informieren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter über relevante Fahrzeugdaten aus der Halle.
Daimler hat eine ebenso klare Vision für das, was vom Band rollt: die Technologieführerschaft im Hard- und Softwarebereich. Es geht darum, die Datenhoheit im Auto zu sichern — und zwar mit einem eigenen Betriebssystem, entwickelt im „Swabian Valley“. Der Weg bis zur Marktreife von MB.OS wird dabei so evolutionär gestaltet, wie wir es von iPhone-Updates kennen. Einen ersten Vorgeschmack auf den digitalen Mercedes-Benz der Zukunft gibt der MBUX Hyperscreen: Das lernfähige Infotainment- und Bediensystem unterstützt den Anwender entsprechend seinen persönlichen Vorlieben und Routinen — Geburtstagserinnerungen inklusive.
Ein Schlüssel zur Umsetzung unserer Pläne liegt in der Kompetenz, der Kreativität und der Motivation unserer Beschäftigten. Daimler schafft die Voraussetzungen für Höchstleistung; unsere Beschäftigten gestalten ihre Fortbildungen, ihre Arbeitszeit und ihren Einsatzort innerhalb dieses Rahmens dann oft selbst. Die Digitalisierung bietet mehr denn je die Möglichkeit dazu und unsere Beschäftigten sind eingeladen, sie zu nutzen. Um sie darin zu bestärken, setzt Daimler nicht nur auf Appelle, sondern auf verlässliche Regelungen wie die Betriebsvereinbarung zum mobilen Arbeiten.
Mit unserem ganzheitlichen Ansatz im Bereich Digitalisierung tragen wir konkret zu der Erreichung der Sustainable Development Goals bei:
Die Pandemie ist für Unternehmen und Mitarbeiter eine große Belastung. In der Krise zeigt sich, dass viel mehr möglich ist, als wir alle gedacht hätten. Allein in Deutschland hunderttausende Menschen im Homeoffice zusammenzubringen, schien unvorstellbar. Aber es hat funktioniert! 70 bis 80 Prozent der nicht direkt kundenbezogenen Interaktionen lassen sich ebenso gut digital durchführen — davon bin ich überzeugt. Durch die Folgen von COVID-19, aber auch durch die bestehenden Herausforderungen der Dekarbonisierung und Digitalisierung stehen wir vor dem wahrscheinlich größten Kultur- und Qualifikationswandel unserer Geschichte.
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Claudia Nemat Vorständin für Technologie und Innovation, Deutsche Telekom AG


Drei Fragen
Monika TielschFrau Tielsch, Daimler fördert mobiles Arbeiten schon mehr als 20 Jahre. Wie haben sich die Möglichkeiten über die Zeit verändert?
Schon lange vor der COVID-19-Pandemie hat ein Großteil unserer Beschäftigten, dort, wo es die Aufgabe zulässt, regelmäßig mobil gearbeitet. In der aktuellen Situation profitieren wir stark von der langjährigen Erfahrung mit virtueller Zusammenarbeit. Seit 2009 haben wir eine entsprechende Betriebsvereinbarung. Das war zu diesem Zeitpunkt wirklich Pionierarbeit in Deutschland. Gesamtbetriebsrat und Unternehmensleitung haben das Fraunhofer-Institut und die IG Metall als Berater an Bord geholt. Und wir haben Mitarbeiter und Führungskräfte befragt, wie sie mobiles Arbeiten gestalten wollen. Auf das Ergebnis sind wir stolz, denn diese Betriebsvereinbarung hat den Arbeitsalltag vieler Mitarbeiter einfacher gemacht. 2016 haben wir nochmal nachgeschärft und die Betriebsvereinbarung überarbeitet. Sie setzt nun noch stärker auf Vertrauen und Selbstbestimmung.
Die meisten Büros stehen gerade leer, während zwei Drittel der Daimler-Beschäftigten aus der Verwaltung von zu Hause aus arbeiten. Welchen Einfluss hat das auf den Arbeitsalltag?
Es hilft ganz klar dabei, Beruf und Privatleben besser zu vereinbaren. Zuerst wird oft an Mitarbeiter mit kleinen Kindern oder pflegebedürftigen Familienangehörigen gedacht, die von mobilem Arbeiten profitieren. Das greift aber zu kurz. Auch Sportler oder Kollegen mit Ehrenamt freuen sich über die gewonnene Zeit. Ich kenne zum Beispiel Kollegen, die gerne in der Mittagspause eine Stunde im Wald joggen gehen, einfach, um kurz durchzuatmen. Ob aber Yoga, familiäre Verpflichtungen oder eine Herzensaufgabe – wenn mobiles Arbeiten richtig verstanden und gelebt wird, können wir sehr viel Lebensqualität gewinnen. Unsere Mitarbeiter haben in ihrer Arbeitszeit wirklich den Kopf frei und können sich voll auf die Aufgaben konzentrieren. Davon profitieren Unternehmen und Beschäftigte gleichermaßen.
Denken Sie, dass Büroflächen künftig überflüssig sind?
Davon gehe ich nicht aus, denn vielen fehlt der persönliche Kontakt. Nur noch mobil von zu Hause oder in Cafés dieser Welt zu arbeiten, dieses Modell passt für die wenigsten. Zugleich bin ich sicher, dass viele Kollegen in Zukunft häufiger mobil arbeiten möchten als vor Beginn der Pandemie. Das zeigen auch Befragungen der IG Metall. Durch die Erfahrungen der letzten Monate beschäftigen wir uns in den Gesprächen zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung wieder intensiv mit dem Thema. Ziel ist es, mobiles Arbeiten noch passgenauer für die individuelle Lebens- und Arbeitssituation zu gestalten. Für Vorhersagen ist es noch zu früh, aber so viel kann ich sagen: Wir werden die aktuelle Betriebsvereinbarung überarbeiten und auf die neuen Rahmenbedingungen anpassen.

Monika Tielsch ist Daimler Betriebsrätin am Standort Sindelfingen und dort im Personalausschuss aktiv.




45.000
Diese Zahl an Beschäftigten haben wir 2020 in Deutschland für die Elektromobilität qualifiziert. Bis 2025 werden es 200.000 Mitarbeiter sein.


Daten müssen fließen und sicher sein
Der Digitalisierungstrend wird 2021 der wahrscheinlich wichtigste Erfolgsfaktor, auch für uns bei Daimler. Ein verlässlicher Datenfluss ist Voraussetzung für mehr Konnektivität, Einbindung und Unterstützung unserer Kunden – immer unter der Prämisse, dass wir mit Kundendaten sicher und verantwortungsbewusst umgehen.
Genau diese digitale Infrastruktur bauen wir im Entwicklungsbereich von Mercedes-Benz. Wir nutzen Big Data, um unsere Kunden noch besser kennenzulernen und zu verstehen. Mit innovativer, intuitiver und intelligenter Technik personalisieren wir unsere Produkte und Services maximal für unseren Kunden — vom Aktiv-Massage-Programm bis zum Vorschlag für die To-do-Liste. Durch künstliche Intelligenz reagieren wir in Echtzeit auf die Bedürfnisse unserer Kunden, ohne dem Vegetarier immer wieder das gleiche Steakhaus zu empfehlen — natürlich nur, wenn der Kunde diese Vorschläge wünscht und dem nötigen Datentransfer explizit zustimmt. Der neue MBUX Hyperscreen von Mercedes-Benz weiß nicht nur über die Schneeverhältnisse in meinem Lieblingsskigebiet Bescheid, sondern lässt auch Autokino-Träume nach Genre-Vorliebe des Fahrers wahr werden — selbstverständlich nur, wenn Räder und Motor stillstehen.
Den Anspruch, den wir an Sicherheit und Komfort stellen, übertragen wir übrigens auf die Datenautobahn: Daten müssen in einem Mercedes genauso sicher aufgehoben und geschützt sein wie die Passagiere. Das bedeutet, dass wir transparent machen, wofür wir die Daten benötigen und wie wir sie verarbeiten. Es geht um das Urvertrauen in unsere Marke. Der Kunde entscheidet, welche Daten er weitergeben möchte.
Wir wollen unsere Produkte noch sicherer und cleverer machen. Gemeinsam können wir Außergewöhnliches schaffen, davon bin ich überzeugt.

Mahtab Majd ist Teil der crossdivisionalen Arbeitsgruppe Data Governance und im Research & Development-Bereich von Mercedes-Benz für die Themen Data, AI & Connected Car verantwortlich.


Factory 56 realisiert die digitale, nachhaltige Produktion der Zukunft
Die neue Factory 56 im Mercedes-Benz Werk Sindelfingen steht für die digitale, flexible, effiziente und nachhaltige Automobilproduktion der Zukunft. Eröffnet im September 2020, wird dort ganz im Sinne der Ambition 2039 völlig CO2-neutral produziert.
Auch in puncto Digitalisierung setzt die Fabrik neue Maßstäbe: Kern aller Digitalisierungsaktivitäten ist das digitale Ökosystem MO360, das in der Factory 56 erstmals vollumfänglich zum Einsatz kommt. MO360 umfasst diverse Softwareapplikationen, die mit Echtzeitdaten die weltweite Fahrzeugproduktion von Mercedes-Benz Cars unterstützen. In der Factory 56 bildet eine neue, digitale Infrastruktur mit einem leistungsfähigen WLAN- und 5G-Mobilfunknetz eine wichtige Basis für die vollständige Digitalisierung. Die Factory 56 ist dabei völlig papierlos gestaltet: Insgesamt lassen sich jährlich rund 10 Tonnen Papier einsparen.
Zunächst rollt in der Factory 56 die neue Generation der Mercedes-Benz S-Klasse Limousine und Langversion vom Band. Seit Februar 2021 wird hier auch die Mercedes-Maybach S-Klasse und in Zukunft der EQS vollflexibel auf der gleichen Linie produziert. Die Halle ist zu 100 Prozent flexibel konzipiert, sodass perspektivisch je nach Nachfrage alle Modellreihen von Mercedes-Benz in kürzester Zeit in die laufende Produktion integriert werden können – vom Kompaktfahrzeug bis zum SUV.