„Wir sind die erste Generation, die die Folgen des Klimawandels spürt, und wir sind die letzte, die etwas dagegen tun kann.“ Diese Erkenntnis des ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama stammt zwar aus dem Jahr 2014; sie ist aber aktueller denn je. Umso dringender müssen wir von der Einsicht zum Handeln kommen — mit klaren Regularien, innovativen Technologien und milliardenschweren Investitionen.
Europa hat sich mit seinem Green Deal zum Ziel gesetzt, bis spätestens 2050 der erste CO2-neutrale Kontinent zu werden. China will zehn Jahre später folgen. Auch der neue US-Präsident Joe Biden besiegelte in einer seiner ersten Amtshandlungen den Wiederbeitritt seines Landes zum Pariser Klimaabkommen. Das sind starke und wichtige Signale! Gleichzeitig ist aber klar: Politische Zielsetzungen und Sanktionen allein reichen nicht aus. Wir müssen Menschen für aktiven Klimaschutz „gewinnen“. Auch deshalb unterstützt Daimler multilaterale Initiativen, die einen breiten Wandel in Wirtschaft und Gesellschaft voranbringen sollen (Climate Pledge, TONZ). In erster Linie aber kehren wir vor der eigenen Tür. So haben wir uns klar zum Ziel gesetzt, unsere Pkw- und Van-Neuwagenflotte bis 2039 weltweit CO2-neutral zu machen. In Europa, Nordamerika und Japan soll das auch für unsere schweren Nutzfahrzeuge gelten.
Unser Auftrag ist nachhaltige und selbstbestimmte Mobilität durch technologische Innovation. Wir sind entschlossen, die dafür notwendige Transformation unseres Geschäfts und unseres Unternehmens voranzutreiben. Das ist der vielleicht grundlegendste „SpurWechsel“, seitdem wir das Auto erfunden haben — und er bezieht sich auf unsere gesamte Wertschöpfungskette: von Entwicklung und Einkauf über Produktion und Vertrieb bis zum Recycling. Mit neuen grünen Finanzierungsinstrumenten bieten wir nachhaltig orientierten Anlegern die Chance, zielgerichtet in klimaschützende Technologien zu investieren.
Im Alleingang werden wir es trotzdem nicht schaffen. Die Dekarbonisierung ist und bleibt eine Gemeinschaftsaufgabe. Staat, Unternehmen und Zivilgesellschaft müssen an einem Strang ziehen. Wenn das gelingt, sind wir sehr optimistisch, die Entwicklung der globalen Temperaturkurve positiv beeinflussen zu können.
Mit unserem ganzheitlichen Ansatz im Bereich Klimaschutz tragen wir konkret zu der Erreichung der Sustainable Development Goals bei:
Selbst wenn Sie radikal marktwirtschaftlich denken — die Erderwärmung zu begrenzen, kostet viel weniger als ihre Folgen. Wenn Sie sich für eine aktive Rolle entscheiden, haben Sie die Zügel selbst in der Hand. Unternehmen wie Daimler sollten sich klar bekennen: ‚Wir können CO2-neutral werden!‘ So ein Signal hilft auch der Politik bei ihrer Aufgabe, das Race to Zero für alle zu beschleunigen.
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Nigel Topping Nigel Topping ist High Level Champion for Climate Action für die 26. UN-Klimakonferenz 2021 in Glasgow, Schottland.


Stromverbrauch und Reichweite wurden auf der Grundlage der VO 692/2008/EG ermittelt. Stromverbrauch und Reichweite sind abhängig von der Fahrzeugkonfiguration.
Die tatsächliche Reichweite ist zudem abhängig von der individuellen Fahrweise, Straßen- und Verkehrsbedingungen, Außentemperatur, Nutzung von Klimaanlage/Heizung etc. und kann ggf. abweichen.
Drei Fragen
Johan RockströmHerr Rockström, welche Auswirkungen hat der durch Treibhausgase verursachte Klimawandel auf die Geschäftsaktivitäten von Daimler und anderen Unternehmen?
Weltweit nehmen Wetterextreme und Waldbrände sowie Risiken für Ernteerträge und Ökosysteme zu. Es ist heute wissenschaftlich erwiesen, dass sich extreme Ereignisse, die auf unsere Weltwirtschaft Einfluss nehmen, durch den Ausstoß von Treibhausgasen verschärfen. Ein destabilisiertes Klima belastet die ohnehin schon stark beanspruchten Systeme zusätzlich, sei es unser Gesundheitssystem, das internationale Ernährungssystem oder Regionen mit schwelenden Konflikten. Natürlich hat das direkte und indirekte Auswirkungen auf die Lieferketten von Daimler, aber auch auf die Kunden und Beschäftigten. Aus einer anderen Perspektive betrachtet, stellt die Klimakrise das Geschäftsmodell von Daimler infrage, das bisher auf fossilen Verbrennungsmotoren beruhte. Auch hier sind die wissenschaftlichen Belege eindeutig: Die Welt muss in den kommenden 30 Jahren von fossilen Brennstoffen unabhängig werden, um die globale Erwärmung deutlich unter 2 Grad Celsius zu halten, wie es im Pariser Abkommen vereinbart wurde. Die gute Nachricht ist, dass Daimler als innovatives Unternehmen seine Technologien verändern kann. Das muss allerdings zügig in Angriff genommen werden.
Sie sagen, dass sich das gesellschaftliche Denken über Nachhaltigkeit in den letzten Jahren stark verändert hat. Woran machen Sie das fest?
Diese Einschätzung basiert auf dem, was wir momentan in der Gesellschaft wahrnehmen und auf unseren Erfahrungen als Wissenschaftler im Austausch mit Wirtschaftsvertretern und politischen Entscheidungsträgern. Insbesondere für Unternehmen aller Branchen hat sich Nachhaltigkeit von einer moralischen Verpflichtung der „Corporate Responsibility“ zu einer Frage der Wettbewerbsfähigkeit und Innovation gewandelt. Wir sehen an der jüngsten Einschätzung des Weltwirtschaftsforums (WEF), dass der Fokus auf einen grünen Wiederaufbau der Wirtschaft nach COVID-19 mehr Arbeitsplätze schaffen und eine bessere wirtschaftliche Entwicklung ermöglichen wird.
Ein weiterer Beweis für gesellschaftliches Umdenken ist die gemeinsame Erklärung der sieben großen Nutzfahrzeughersteller in Europa — darunter natürlich auch Daimler — und der Wissenschaft, dass bis 2040 alle neu verkauften Lkw frei von fossilen Brennstoffen sein müssen. Eine mutige Entscheidung, die Unternehmen und Wissenschaft zusammenbringt und die zeigt, was entstehen kann, wenn Verantwortung übernommen wird. Gleichzeitig sehen die Unternehmen darin auch die Möglichkeit, ihre technologische Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Eine erfolgreiche Umweltagenda umfasst neben Sicherheit und sozialer Gerechtigkeit auf jeden Fall auch Aspekte wie Innovation und Wohlstand.
Aus Ihrer Sicht ist die Dekarbonisierung des Planeten also nicht unbedingt mit Verzicht verbunden?
Gesellschaften wollen sich hin zu einer gerechteren, wohlhabenderen und gesünderen Zukunft bewegen. Besonders wichtig ist das für Entwicklungsländer. Grüne Technologien sind für dieses Bestreben unabdingbar. Doch ein Teil dieses Wachstums muss qualitativ sein, nicht quantitativ. Es ist klar, dass wir nicht weiterhin wertvolle Ressourcen verschwenden können.
Ich denke, dass Daimler das verstanden hat. Das Unternehmen kann den Druck auf den Planeten durch das Recycling reduzieren, es kann CO2-Emissionen über die gesamte Wertschöpfungskette vermeiden und seine Produkte weiterentwickeln. Die Menschen wollen nicht unbedingt einen Achtzylinder. Sie wollen Mobilität, sie wollen Freiheit und es gibt viele Möglichkeiten, das zu erreichen. Es ist eine Herausforderung für die gesamte Pkw- und Lkw-Branche. Das bisherige Geschäftsmodell, einfach die Verkaufszahlen von Fahrzeugen immer weiter steigern zu wollen, ist nicht zukunftsfähig. Letztlich sind es Qualität und neue Formen der Mobilität, mit denen das Ziel – ein gutes Leben – erreicht werden kann. Und der einzige Weg dahin ist die Umstellung auf Nachhaltigkeit.

Johan Rockström ist Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und Professor der Erdwissenschaften an der Universität in Potsdam. Der Schwede zählt zu den weltweit meistzitierten Forschern und ist seit Mai 2020 Mitglied im Daimler Beirat für Integrität und Unternehmensverantwortung.


Stromverbrauch und Reichweite wurden auf der Grundlage der VO 692/2008/EG ermittelt. Stromverbrauch und Reichweite sind abhängig von der Fahrzeugkonfiguration
Die tatsächliche Reichweite ist zudem abhängig von der individuellen Fahrweise, Straßen- und Verkehrsbedingungen, Außentemperatur, Nutzung von Klimaanlage/Heizung etc. und kann ggf. abweichen




Die durchschnittlichen CO2-Emissionen unserer Pkw-Neuwagenflotte in Europa (Europäische Union, Vereinigtes Königreich, Norwegen und Island) sind auf voraussichtlich 104 g/km gesunken. Damit haben wir die CO2-Ziele in Europa in 2020 erreicht.


CO2-neutraler Transport der Zukunft:
Der Mercedes-Benz GenH2 Truck
Ein lokal CO2-neutraler Fernverkehrs-Lkw, der seinen Dieselkollegen in nichts nachsteht und bei Zugkraft, Reichweite und Leistung gleichermaßen punktet?
Daimler Trucks hat das Konzept 2020 vorgestellt: Der Mercedes-Benz GenH2 Truck soll in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts in Serie auf den Markt kommen und mit einer Reichweite von bis zu 1.000 Kilometern und mehr bei einer Zuladung von 25 Tonnen überzeugen. Unsere Entwickler haben die ebenso anspruchsvollen wie unterschiedlichen Anforderungen der Nutzfahrzeugkunden berücksichtigt. Der Clou? Wasserstoff. In der Brennstoffzelle sorgt er als Teil einer elektrochemischen Reaktion dafür, dass Elektrizität generiert und der Lkw angetrieben wird. Der Lkw verfügt über zwei Flüssigwasserstofftanks. Sollte im Fahrbetrieb punktuell mehr Energie benötigt werden, springt eine zusätzliche Batterie ein.
Für sein klares technologisches Konzept hat er auch den „2021 Truck Innovation Award“ erhalten.
Aus dem Leben eines Powerpacks


1 - Rohstoffe
Kobalt, Lithium & Co.
Die zentralen Aspekte der Diskussion um Lithium-Ionen-Batterien - und was dahintersteckt.
Mehr lesen
2 - Produktion
Gigantische Aussichten...?
Wie Zellfertigung und Batterieproduktion bei Daimler ineinandergreifen.
Mehr lesen
3 - Einbau
Vernetzte Anlagen und intelligente Roboter
Flexibel in die emissionsfreie Zukunft.
Mehr lesen
4 - Nutzung, Charging und Remanufacturing
Bereitmachen für die Langstrecke
Wie steht es um die Alltagstauglichkeit der aktuellen Elektrofahrzeuge?
Mehr lesen
5 - Speicher und Energiemanagement
Die Tanks der Zukunft
Wie lässt sich grüner Strom konstant und zuverlässig ins Netz einbinden?
Mehr lesen
6 - Recycling
Reuse, Recycle, Repeat: Zielstation Rohstoffkreislauf
Was passiert mit den wertvollen Materialien ausgedienter Lithium-Ionen-Akkus?
Mehr lesen
Aus dem Leben eines Powerpacks
In unseren Smartphones tragen wir sie ständig bei uns – und auch auf der Straße werden Lithium-Ionen-Batterien in den kommenden zehn Jahren auf dem Vormarsch sein. Denn die Elektromobilität nimmt immer mehr an Fahrt auf!
Das Credo ist klar: CO2 im Straßenverkehr reduzieren und die Luftqualität in den Städten erhöhen. Aber ist das alles? Wie nachhaltig Elektrofahrzeuge wirklich sind, hängt vor allem von ihrem Herzstück ab – der Batterie. Umso wichtiger ist es, den Lebenszyklus der Batterie von Anfang an so effizient und ressourcenschonend wie möglich zu gestalten: von der Batterieforschung bis zum Recycling. Jeder einzelne und noch so kleine Schritt entscheidet, wie die Ökobilanz ausfällt.
Gute Noten gibt es vor allem dann, wenn es gelingt, aus der Wertstoffkette einen Kreislauf zu machen. Und da bieten Batterien großes Potenzial bei den vielfältigen und teils seltenen Rohstoffen, die von der Batteriezelle bis zum Gehäuse verbaut sind. Es geht am Ende darum, den Ressourcenverbrauch von dem Wachstum unserer Produktionsleistung zu entkoppeln.


Wie Müllberge den Fahrzeugbau nachhaltig verändern
Sechs Jahre lang hat das Team des Start-ups UBQ Materials am neuen Rohstoff getüftelt, um aus Lebensmittel- und Gartenabfällen, aus Windeln, Papier und Verpackungen ein homogenes erneuerbares Material zu gewinnen.
Das Ergebnis: der biobasierte Kunststoff UBQ, der künftig auch bei Daimler Kunststoffe in verschiedensten Bereichen ersetzen könnte. Denn das klimafreundliche Verbundmaterial lässt sich häufiger als andere Kunststoffe recyceln, ohne aber an Qualität einzubüßen. Dadurch hat UBQ einen entscheidenden Vorteil: Es kann den CO2-Footprint von Bauteilen verringern und ebnet als erneuerbare Rohstoffquelle den Weg zur Kreislaufwirtschaft.
Anfang 2020 hat sich Daimler mit dem israelischen Start-up zusammengeschlossen, um den Bio-Kunststoff vielleicht schon bald serienmäßig für die Herstellung einer Leichtbau-Laderaummulde zu verwenden. Auch der Prototypenbau und die Produktion von Stoßfängern bei Bussen, Kabelkanälen und Ladungsträgerboxen könnten nach weiteren Tests auf das CO2-neutrale Rezyklat umgestellt werden.